Trauer ist systemrelevant

Eva Kersting engagiert sich für eine Petition – machen Sie mit!


Am 22. März 2021 jährt sich der Tag des ersten Lockdowns. Aus diesem Anlass haben wir, der Vorstand und Mitglieder des Bundesverbandes Trauerbegleitung e.V., Expert*innen und Unterstützer*innen, diesen Brief an Frau Merkel, Herrn Spahn, Glaubensgemeinschaften und Kirchen geschrieben.

Corona und die vielfältigen Folgen

Die Corona-Pandemie ist eine ernstzunehmende Situation, die Gesundheit und Leben vieler Menschen bedroht und durch die Einschränkungen sozial gewohnter und geübter Abläufe und Rituale weitreichende Folgen haben wird. Die Pandemie bedroht nicht nur Leben, sie bedroht auch Trauerprozesse, welche sich auch auf Verluste durch ein notwendig gefordertes Anpassen an die bedrohliche Situation beziehen. Trauer findet so in fast allen menschlichen Bereichen des Lebens statt und erfasst inzwischen jede*n Bürger*in.
Wir warnen eindringlich vor den zu erwartenden Spätfolgen, die bei nicht angemessen unterstützter Trauer, aufgrund von Verlusten nahestehender Menschen, Verlust der Arbeit, Verlust von gemeinschaftlichen Erlebnissen oder durch nicht gelebte Abschiede entstehen können. Trauerbegleitung und Trauerberatung sind in der Pandemiesituation systemrelevant und müssen auch
so offiziell anerkannt und benannt werden. In den vergangenen Monaten der Pandemie haben sich die Bedingungen für Menschen, die von Verlust und Abschied betroffen sind, extrem verändert. Neben den vielen Veränderungen durch die soziale Distanziertheit und den
Unsicherheiten im Umgang mit Zugehörigen die Sterbend sind, betreffen auch existentielle Ängste (z.B. um den Arbeitsplatz) große Bevölkerungsgruppen und stürzen viele in eine wirtschaftliche und emotionale Krise.

Was geschieht, wenn Trauer nicht angemessen unterstützt werden kann?

Trauer gehört zum Leben. Trauer, die keine Gestaltungsmöglichkeit und keine Resonanz findet, kann krank machen. Der Prävention der Folgen nicht angemessen unterstützter Trauer ist demzufolge in dieser Pandemie besondere Aufmerksamkeit einzuräumen. Jeder Trauerverlauf hängt von vielen Faktoren ab, z.B. der Art des Abschiedes, den persönlichen Umständen und Belastungen und
den Lebenserfahrungen der trauernden Menschen Wir wissen um die Notwendigkeit präventiver Wirkungsmöglichkeiten von
Trauerbegleitung.

In der Ausgangssituation im Arbeitsleben sieht das so aus:- Unsicherheiten wirken sich auf das ganze System aus
– Spannungsverhältnis zwischen Emotionen und Angst, auf der einen Seite wie das Aufrechterhalten des Arbeitsalltags auf der anderen Seite     die Sorge um die Existenz
– Integration von Trauer- und Krisensituation als Ziel

Auswirkungen von Krisen- bzw. Todesfällen und deren Ursachen:
– unterschiedliche Branchen und Berufe wirken sich auf den Umgang mit Krisen bzw. Todesfällen aus.
– Kommunikation spielt eine entscheidende Rolle.

In einer Gesellschaft, in der Trauer nicht als Systemrelevant anerkannt ist, kann Trauer nicht angemessen begleitet werden. Menschen, die sich in Krisen- bzw. Trauerzeiten alleingelassen fühlen, befinden sich in einem stark belasteten Ausnahmezustand. Sie können Schlafstörungen, Antriebsschwäche, Appetitlosigkeit, depressive Stimmungen bekommen. Damit schwächen sie, ungewollt und unbewusst, auch Unternehmen. In einer Gesellschaft, in der Trauer wie wir sie leben, nicht als Kulturgut anerkannt ist, wird es keinen sichtbaren Platz und damit wenig Unterstützungsmöglichkeiten geben.