Zugegeben, als Urenkelin, Enkelin und Tochter von erfolgreichen, zukunftsorientierten und avantgardistischen  Möbelbauern und Einrichtern war sie zwar prädestiniert, die Tradition des Hauses weiterzuführen, aber dass sie als Frau aus dieser Familie zum 125jährigen Firmenjubiläum einladen würde, ist für die heutige Firmenchefin Susanne Rexing ein echter Grund zum Feiern.

Den meisten Kleverinnen und Klever ist das große, hohe Rundfenster des Einrichtungshauses Rexing an der Kavariner Straße 39-41 so vertraut wie die Burg und kaum jemand kann an den Fenstern vorbeilaufen, ohne einen Blick auf die extravaganten, eleganten, coolen, gemütlichen oder oft auch witzigen Designermöbel, Lampen und Accessoires zu werfen. Und wer nicht auf die Möbeldekoration schaut, dem fallen garantiert die großformatigen Bilder und Kunstobjekte ins Auge.

„Dass mein Großvater das Geschäft von meinem Urgroßvater übernommen hat und mein Vater von meinem Großvater,  lag ja noch in der Natur der Sache, aber mein Vater konnte sich mit zwei Töchtern über die Nachfolge gar nicht so sicher sein, obwohl sich mein Interesse und auch meine Stärken schon sehr früh auf alles konzentrierte, was mit Kunst, Bauen, Malen und Zeichnen zu tun hatte.  Ich habe dann tatsächlich Innenarchitektur und Design studiert. Das Studium war, rückblickend betrachtet, ausgesprochen vielseitig und spannend, ich habe mich ebenso  intensiv mit  Bauen, Statik, Restaurieren befasst wie mit modernem Design. Bis heute gilt mein Interesse und meine Liebe in erster Linie den ‚modernen Klassikern‘ und der Verbindung von Kunst und Wohnen. Ehrlich gesagt, ich war mir direkt nach dem Studium noch gar nicht sicher, wo ich einmal meine Zelte aufschlagen würde. Aber als mein Vater ankündigte, sich peu á peu aus dem Tagesgeschäft zurückziehen zu wollen, war schnell klar, dass ich ins elterliche Geschäft einsteigen wollte.  Und mein Vater konnte sich sehr gut mit dem Gedanken anfreunden, dass eine seiner beiden Töchter das Geschäft übernehmen wollte“, so Susanne Rexing, „bis zuletzt ist er immer noch gerne ins Geschäft gekommen, hat sich umgesehen und ich glaube, er war stolz auf seine Tochter.“

                     Das Einrichtungshaus Rexing zählt seit Jahren in der Fachpresse zu den besten Einrichtungshäusern in Deutschland

Sie hat ihre Entscheidung nie bereut, denn „es ist auch heute immer wieder eine völlig neue, ganz spannende Situation, wenn Kundinnen und Kunden auf mich zukommen und ganz unterschiedliche Wünsche an mich herantragen: Manche möchten nach vielen Jahren ihre Einrichtung nur um einige ausgewählte Möbel  oder Lampen z.B. ergänzen, andere wollen ihre Wohnung noch einmal komplett umgestalten und wiederum andere sind sogar bereit, mir auch bei einer grundlegenden Wohnungs- oder Haussanierung freie Hand zu lassen. Dann bin ich in meinem Element. Ich denke, dass ich ein gutes Auge dafür habe, wie  Räume, ein Haus oder eine alte Villa – selbst nach einigen mehr oder weniger gelungenen Um- und Anbauten, ihre ursprüngliche Ausstrahlung zurückgewinnen. Mit den Jahren kann ich auch auf ein sehr vielfältiges Netzwerk an Fachleuten und Handwerkern zugreifen, mit denen ich sehr gut zusammenarbeite und die meine Konzepte optimal umsetzen.  Ja,  wenn ich es genauer betrachte,  den Bereich der Denkmalspflege entdecke ich immer mehr für mich.“

Dass sich die Dinge im Hause Rexing über die vielen Jahrzehnte so gedeihlich entwickelt haben, hat über die Generationen unbedingt mit den Frauen in der Familie zu tun. Sie waren Geldgeberin (für Urgroßvater Johann), Managerin im Hintergrund (für den Großvater), unverzichtbare Kraft im Geschäft (für  Vater Hans) und schließlich in der 4. Generation als alleinverantwortliche  Unternehmerin und Innenarchitektin Susanne Rexing.

                                     Deutschlandweit gibt es nur 8 Innenarchitektinnen, die ein Einrichtungshaus führen. Susanne Rexing ist eine von ihnen.

„Ohne die Frauen wäre nichts gegangen, es wird heute leicht vergessen, dass Frauen früher  selbstverständlich  im Unternehmen oder Geschäft mitgearbeitet haben. Sie blieben jedoch selbstverständlich immer im Hintergrund. Meine Großmutter hat im Krieg den Betrieb zeitweise sogar allein über Wasser gehalten, als ihr Mann früh verstarb und ihr Sohn eingezogen war.  Meine Mutter z.B. hat immer mitgearbeitet, mein Vater war ja sehr viel unterwegs, sie hatte großen Anteil am Geschäftserfolg.  So gesehen  waren es -bis heute- auch 125 Jahre Frauenpower. Unsere  Frauengeschichte kann ich daher auch sehr gut mit den Portraits berühmter Architektinnen und Designerinnen verknüpfen, die ich anlässlich des Firmenjubiläums zusammengestellt habe und am 2. September vorstellen möchte, denn wie so oft, gibt es viele der heute weltberühmten Designermöbel, -lampen, -objekte  oder Architekturentwürfe, an denen  Frauen ganz entscheidende, wenn nicht alle Anteile hatten, der Starruhm ging jedoch naturgemäß an den Mann.“

Susanne Rexing will mit ihrer Ausstellung „Architektinnen, von der Kreativen im Schatten zur Design – Ikone“ den Blick dafür schärfen, dass es schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts  außergewöhnlich  kreative Designerinnen und Architektinnen gab,  die es  jedoch schwer hatten, sich in der   männerdominierten Szene einen Namen zu machen.

Für die Jubiläumsausstellung  hat sie 5 Designerinnen und Architektinnen ausgewählt, deren Arbeiten und Entwürfe  experimentierfreudig und produktiv, kurz epochemachend waren und spannt damit nicht nur einen Zeitbogen von fast 100 Jahren sondern zeigt auch die Vielseitigkeit dieser Frauen.

5 Designerinnen, die Epoche mach(t)en

Da ist die Irin Eileen Gray (1878-1976), deren  ‚Adjustable Table E 1027‘ wohl zu den weltweit bekanntesten Entwürfen gehören dürfte.  Obwohl sie, in Paris lebend, an sehr vielen Projekten gearbeitet hat und damit auch immer wieder Aufsehen erregte, ist ihr Gesamtwerk tatsächlich erst zum Ende ihres Lebens  neu bewertet worden. Heute ist ihr Tisch im MOMA in New York ausgestellt. Im Rückblick betrachtet gehört sie zu den wichtigsten Designerinnen des frühen 20. Jahrhunderts.

Oder die Spanierin Patricia Urquiola  (Jg.1961), die in Madrid und Mailand Architektur studierte und lange u.a. als Chefdesignerin für Vico Magistretti arbeitete. Heute lebt sie in Mailand und designt für weltberühmte Firmen. Museen in aller Welt haben ihre Arbeiten in ihre Sammlungen aufgenommen.

Charlotte Perriand  (1903-1999) hochbegabte Pariser Innenarchitektin, die für die Zeit nicht nur aufsehenerregende Sitzmöbel entworfen hat. 10 Jahre hat sie im Atelier von Le Corbusier gearbeitet, der zu der Zeit bereits einen großen Namen als Architekt und Designer hatte. Heute weiß man, dass   praktisch alle Möbelentwürfe aus dieser Zeit  – wie z.B. die berühmte Corbusierliege- die Arbeiten von Charlotte Perriand waren.

Die gebürtige Irakerin  Zaha Hadid  (*1950)–Lange Zeit  als „unbaubar“ galten die spektakulären Entwürfe der Architektin, bis sie 1993 den Auftrag von Vitra bekam, eine neue Feuerwache auf dem Werksgelände zu bauen. Sie baute eine Feuerwache, „wie sie die Welt noch nicht gesehen hatte“, wie die Presse bei der Eröffnung schwelgte, „eine funktionale Skulptur, ein Gebäude, das den täglichen Anforderungen einer Werkfeuerwehr ebenso Rechnung trug wie höchsten ästhetischen Ansprüchen.“

Ray Eames (1912-1988). Die US-amerikanische Künstlerin und Designerin zählt zu den einflussreichsten Gestalterinnen der Möbelindustrie ihrer Zeit. Mit Möbelentwürfen wie dem berühmten Lounge Chair wurde sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Charles Eames in den 1950er und 1960er Jahren zur Stilikone.

Ein bisschen, so scheint es, hat Susanne Rexing sich mit der Ausstellung auch selbst beschenkt.

Herzlichen Glückwunsch!

Gabriele Coché-Schüer