Ort der Handlung: FrauenFilmNacht in Kleve. Die Filme sind vorbei, das Publikum strömt zum Ausgang in Richtung Casa Cleve, um sich dem gemütlichen Teil des Abends zu widmen.
Auf halbem Weg wartet Lily the Pink, das einzigartige Spendenschwein auf die hoffentlich spendenfreudigen Kinobesucherinnen. Die Gaben sind großzügig und die Stimmung bei den Organisatorinnen entsprechend begeistert. Und? Wieviel ist dieses Mal zusammengekommen? Das ist der Moment von Sandra Pelser!
Sandra Pelser ist Steuerberaterin. Unsere Steuerberaterin. Und die Welt der Zahlen ist ihre. In jedem Jahr dürfen wir darauf vertrauen, dass sie es genauso gerne wissen will, wie wir alle. Lily wird unter den Arm geklemmt. Ab jetzt ist Sandra Pelser Hüterin von Lily und es ist egal, wie spät es ist- sie wird noch in der Nacht an sicherem Ort das Geld zählen und dem Vorstand frühestmöglich berichten.
In diesem Jahr besteht die Steuerkanzlei Pelser 10 Jahre. Ein Firmenjubiläum, das Sandra Pelser sich so Ende der Achtziger Jahre niemals hätte vorstellen können, denn sie – Jahrgang 1972 – gehörte in Halle an der Saale zum ersten Abiturjahrgang nach der Wende. „Ich habe mit 19 Jahren mein Abitur in einer Zeit gemacht, in der in Ostdeutschland nichts mehr so war, wie es mal gewesen ist. Alles war im Umbruch, Schule, Ausbildung, Studium, Arbeitsplätze“ erzählt sie. „Ich wollte ja nach dem Abitur Mathematik zu studieren. In der DDR gab es Planwirtschaft und es wurden nach diesem Plan je nach Bedarf Studien- und Ausbildungsplätze zugewiesen, aber zu dieser Zeit stimmten alle diese Gewissheiten nicht mehr. Sollte ich jetzt tatsächlich Mathematik studieren? Plötzlich war ich ein Stück weit orientierungslos und wollte dann doch erst einmal eine Ausbildung machen.“ Wie so oft in dieser Zeit half der Zufall. Eine Kundin ihrer Mutter erzählte beiläufig, dass sie jetzt für einen Steuerberater aus dem Westen arbeitete und dass dieser ausbildete.
„Ich habe mit 19 Jahren mein Abitur in einer Zeit gemacht,
in der in Ostdeutschland nichts mehr so war, wie es mal gewesen ist.“
„Ehrlich gesagt, auf den Beruf Steuerberater bzw. Steuerfachangestellte wäre ich nie gekommen. Den gab es ja bei uns gar nicht. Aber es hörte sich für mich doch abwechslungsreich und gut an: Ich würde mit Zahlen arbeiten und gleichzeitig Umgang mit Menschen haben. Ich bewarb mich und ich wurde angenommen.“
Die Aussicht auf einen spannenden Ausbildungsplatz hatte nur einen kleinen Haken. Ausgebildet wurde in Krefeld am Niederrhein. „Ich sehe mich noch heute mit dem Motorrad abfahren. Zusammen mit meinem damaligen Freund, zwei Packtaschen und ab in eine mir völlig unbekannte Welt und Zukunft. Aber ich wollte unbedingt die Chance wahrnehmen. Einerseits hatten mein Schulabschluss und die politischen Ereignisse meine wirklich sehr schöne und unbeschwerte Kinder- und Jugendzeit mit einem Mal beendet, andrerseits erkannte ich für mich völlig neue Welten und Möglichkeiten.“
Pünktlich um halb acht stand Sandra P. am ersten Tag vor dem Büro. Solange sie mit ihrem Freund noch keine Wohnung gefunden hatten, wohnten sie in einer kleinen Pension. Aber auch hier spielte der glückliche Zufall mit. Nach zwei Monaten zogen sie in eine gemeinsame Wohnung. „Mit meiner Ausbildungsstelle hatte ich das große Los gezogen. Die für meine Ausbildung zuständige Kollegin bereitete sich nämlich zeitgleich auf ihre Steuerberater-Prüfung vor. Sie lernte und ich lernte – ich profitierte enorm davon, dass sie ihr frisches Wissen immer mit mir teilte. Und ich merkte, dass diese Arbeit genau richtig für mich war. Ich glaube, meine Stärke ist schon die Mathematik, aber auch komplexe Zusammenhänge und Strukturen schnell zu erfassen und mit ihnen umzugehen. Und ich habe ein ziemlich gutes Erinnerungsvermögen. Ich erinnere mich häufig- übrigens manchmal zum Erstaunen meiner Mitarbeiterinnen- detailgenau an vorherige Sachverhalte. Das ist oft hilfreich.“
„meine Stärke ist schon die Mathematik, aber auch komplexe Zusammenhänge und Strukturen
schnell zu erfassen und mit ihnen umzugehen.“
Natürlich war da im Hinterkopf die Überlegung, nach der Ausbildung wieder zurück nach Halle zu gehen. „Aber je länger ich in Krefeld lebte und arbeitete, umso größer wurden mein Freundeskreis und intensiver meine Kontakte hier am Niederrhein. Und es wäre für mich auch ein echter Rückschritt gewesen, weil ich nach meiner Ausbildung bereits schnell an sehr interessanten und hochwertigen Aufgaben mitarbeiten konnte.“
Die folgenden Jahre waren sehr lernintensiv. Aufgrund des sehr guten Berufsschulabschlusses bekam sie ein Stipendium für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen der Steuerberaterkammer Nordrhein-Westfalen. Das Stipendium nutzte Sandra P., um 1997 die Prüfung zur Steuerfachwirtin und 1998 die Prüfung zur Bilanzbuchhalterin abzulegen. Ab 1997 bis 2002 noch ein BWL-Studium an der Fernuni Hagen, der Steuerberaterlehrgang fiel auch in diese Zeit. Mit 29 Jahren wurde sie im Mai 2002 zur Steuerberaterin bestellt.
Und wer weiß, ob sie nicht heute als Steuerberaterin in Krefeld aktiv wäre, wenn sie nicht um die Jahrtausendwende ihren Mann Rainer kennengelernt hätte. „Der wiederum ist Klever und Klever, das lernte ich schnell, sind nun einmal sehr schollenverbunden. Mein Mann hat von Anfang an erklärt, dass er nie aus Kleve wegziehen würde. Meine Optionen waren klar: meiner Liebe in seine Heimat folgen oder auf ewig pendeln. Also habe ich mich bewegt und habe die folgenden Jahre in Goch und Kleve gearbeitet. 2004 kam unsere Tochter Selina zur Welt. Mein Mann und ich haben uns die Elternzeit geteilt. Wir haben beide in Teilzeit gearbeitet. Heute ist das viel selbstverständlicher. Damals musste er sich noch oft den einen oder anderen Spruch hierzu anhören.“
2009 dann der Schritt in die Selbständigkeit. „Ich hatte mich schon länger mit dem Gedanken beschäftigt und konnte mir gut vorstellen, mich selbständig zu machen. Der letzte Anstoß kam dann von einem guten Kollegen, mit dem ich eigentlich gemeinsam gründen wollte.“
Am Ende wurde es nichts mit der gemeinsamen Kanzlei. Die eröffnete sie 2009 allein auf der Emmericher Straße 204. „Ich wollte jetzt nicht mehr von meinem Plan abrücken und in intensiven Gesprächen hat mein Mann mich dazu ermutigt, es zu tun.“
Die 10 Jahre hat sie gut genutzt. Heute betreut sie einen gewachsenen Mandantenstamm mit 3 Mitarbeiterinnen und einer Auszubildenden. Sie hat ein tolles Team, sagt sie, und dass die Chemie stimmen muss, wenn die Arbeit gut werden und Spaß machen soll. „Wir können auf ein umfassendes Portfolio verweisen: Neben den klassischen Steuerberatungsarbeiten bieten wir z.B. Unterstützung bei Unternehmensgründungen und –nachfolge. Im Blick haben wir immer unsere Mandantinnen und Mandanten. Uns geht es darum, den Fokus nicht nur auf die steuerliche Optimierung zu legen, sondern immer auch wirtschaftliche Aspekte mit einzubeziehen. Hier kann ich es ja mal sagen: Mein ganz persönliches Steckenpferd ist die GmbH & Co. KG.“
Uns geht es darum, den Fokus nicht nur auf die steuerliche Optimierung zu legen,
sondern immer auch wirtschaftliche Aspekte mit einzubeziehen.
Sandra Pelser ist es immer wichtig gewesen, sich in ihrem Berufsumfeld zu engagieren. So war sie über mehrere Jahre Lehrbeauftragte an der Steuer Akademie Düsseldorf und ist seit 2010 – quasi als Mittlerin und Kontaktperson – ‚Ortstellenleiterin Kleve‘ für den Steuerberaterverband Düsseldorf e.V. Ebenso ist sie die Repräsentantin der Steuerberaterkammer Düsseldorf beim „DAY FOR FUTURE “ am Berufskolleg Kleve.
„Mein Arbeitsansatz ist, auch mit den Finanzbehörden gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Der Auftrag meiner Mandantinnen und Mandanten steht für mich im Vordergrund. Eine entspannte und kooperative Kommunikation in alle Richtungen führen bei kniffeligen Fällen zum Erfolg, das ist meine Erfahrung. Das ist auch einer der Gründe, warum ich seit 2011 die sogenannten „Klimagespräche“ mit dem Finanzamtsleitern des unteren Niederrheins (Kleve, Geldern, Wesel und Moers) koordiniere.
Aber auch anderer Stelle ist Sandra Pelser in Bewegung. Sie ist seit vielen Jahren im unternehmerinnen forum niederrhein aktive Mitgliedsfrau, sie gehört zu den ZONTA International Women und ist Teil der Initiative Kellen „Steig ein“ der Geschäftspartner Emmericher Straße. Was zieht sie aus diesem Engagement? „Es geht mir nicht nur darum, Kontakte und Beziehungen mit Blick auf mein Unternehmen aufzubauen. Wenn das dazu kommt, prima. Ich profitiere ganz persönlich davon. Es erweitert meinen Horizont, ich lerne interessante Menschen in ganz unterschiedlichen Lebens- und Arbeitssituationen kennen, die ich sonst nicht treffen würde. Das ist das wirklich Spannende für mich. Und ich lebe gerne am Niederrhein. Das Ländliche, Gemäßigte gefällt mir, es läuft viel über die persönlichen Kontakte.“
Und was sollen die nächsten Jahre bringen? „Natürlich wünsche ich mir, dass es beruflich weiter gut läuft. Aber für die nächste Zukunft denke ich eher an meine Tochter. Sie soll einen guten Start ins Erwachsenenleben haben, auch mit so viel Glück und Erfolg, wie ich es bisher hatte.“
Interview Gabriele Coché-Schüer
Foto Maro Fotodesign