10-Jahres-Jubiläen feiern können alle. Wenn aber die Umstände mal so sind, kann es auch gerne das 11Jährige sein- dachten sich Sibylle Merrettig und ihr Mann Rolf „Rollo“ Gärtner. Als sich abzeichnete, dass Corona in 2020 allen kleinen und großen Festen die Rote Karte zeigen würde, wurde das Feiern eben um ein Jahr verschoben. Der Anlass an sich bleibt auch 2021 fantastisch.

Niemand hätte voraussagen können, dass der Lindenhof einmal zu dem würde, was er heute ist, ein feines kleines Landhotel, eingebettet in eine Gartenlandschaft, die schon bei der Einfahrt auf den Hof an die Tradition der klassischen englischen Gasthöfe und Gärten erinnert (und ja, es kommt einem – wie im Film- schon einmal ein netter Hund oder eine Katze entgegen).

Diese Immobilie stand vor gut 13 Jahren zum Verkauf: „Wir waren schon länger auf der Suche. Damals lebten wir im Wald, auf einem Hektar Wald in Kleve, sehr schön, aber wir konnten uns, was die Gebäude betraf, nicht wirklich weiter entwickeln, nicht größer werden. Gesucht haben wir landauf landab und wenn der Makler damals nicht immer wieder gedrängt hätte, ich solle mir das Objekt doch wenigstens mal vor Ort ansehen, dann wäre es nicht unseres geworden“, schmunzelt Sybille Merrettig, „auf dem Exposé habe ich immer auf das Hauptgebäude geachtet, aber als ich dann das gesamte Ensemble mit der Remise, den Nebengebäuden und das Grundstück sah, war es eine Entscheidung von Minuten.“

„Wir hatten in den vergangenen Jahren im Wald für uns festgestellt, dass es sich gut anfühlt, Gäste im Haus zu haben, wollten gerne ein besonderes Café haben, Frühstück anbieten, kleine Snacks, Specials, aber keine Restauration. Das war der Plan. Rollo, der in Düsseldorf viele Jahre erfolgreich seine Kneipe geführt hat, wollte schon seiner Gesundheit wegen auf keinen Fall noch länger bis in die Nächte arbeiten und ich als ehemalige, ständig hochtourig arbeitende Investmentbankerin wollte nach einer unerwartet schweren  gesundheitlichen Krise unbedingt den Schnitt. Es sollte für uns beide ein neues Leben werden und in diesem Leben sollte es eine neue Herausforderung, aber keine Überforderung geben und genügend Freiräume für die (ur-)eigenen Bedürfnisse lassen.“

Was bedeutet so ein radikaler Schnitt für eine Frau, die über viele Jahre zu den TOP 100 Investmentbankern zählt, an den Börsenplätzen Düsseldorf, London, New York, Luxemburg zuhause war und für einen Mann, der in Düsseldorf als  Wirt immer noch „bekannt wie ein bunter Hund“ ist? „Rollo hat sich peu à peu aus seinen Düsseldorfer Bezügen gelöst, hatte tatsächlich noch einige Zeit ein Apartment in Düsseldorf – quasi als letzten Anker, nach einem halben Jahr siedelte er komplett über. Für mich war die erste Zeit aus dem Job schwer und unwirklich. Ich war aber aus meiner Bank mit einer sehr guten Abfindung ausgeschieden. Finanziell war ich also abgesichert und konnte in Ruhe überlegen, wie ich die Zukunft angehen will. Die Zeit in der Natur hat mir dabei geholfen, mich zu erden, ich habe viel mit den Händen gemacht, gepflanzt, gebaut, gewerkelt. Ich habe das Reiten wieder entdeckt, mir ein Pferd zugelegt, bin viel geritten, mit den Hunden unterwegs gewesen, aber irgendwann ist das dann nicht mehr genug. Der Mensch braucht Ziele und Aufgaben. Der Lindenhof sollte es also sein.“

Die Vorbesitzer hatten das Haupthaus liebevoll und detailverliebt saniert, als sie es Anfang 2000 übernommen hatten. Hier mussten Sibylle und ihr Partner kaum noch etwas nacharbeiten. Der heutige Frühstücksraum musste jedoch komplett gästetauglich gemacht werden, neue Sanitäranlagen gebaut werden. „Ich erinnere mich noch genau, dass wir zu unserem ersten öffentlichen Frühstück noch gar nicht alles fertig hatten. Auf die nackten Betonböden hatten wir deshalb provisorisch Orientteppiche gelegt und alles ganz üppig dekoriert. Heute bieten wir das Frühstück nicht nur in diesem Nebengebäude an, sondern auch in der umgebauten Remise, von dem man aus auf den Badeteich und Garten sehen kann.“

Der ehemalige Schweinestall wurde für 8 komfortable Doppel- und Einzelzimmer umgebaut, der Wildgarten nahm immer mehr Gestalt an, der große Schwimmteich, die Tische unter den Bäumen, das Gartenhaus mit der Floristik. Naturnähe und Nachhaltigkeit waren von jeher ein großes und ständiges Anliegen.

Wie war das für eine Frau, die Hotels ihr Leben lang nur aus der Sicht des Gastes her kannte? „Gastronomie ist die Domäne von Rollo“, sagt Sibylle Merrettig. “Er weiß, was nötig ist, was man haben muss, wie es laufen soll, er ist ein „Spitzen-Kaffeemann“, kennt sich mit den Maschinen aus. Ich bin die Finanzexpertin, war auf dem Gebiet der Gastronomie und Hotellerie jedoch absolut unerfahren, musste mir das nötige Wissen draufschaffen, war viel unterwegs auf Messen, bei Lieferanten und ich habe viel gesucht und ausprobiert, immer auf der Suche nach erstklassigen Lebensmitteln, habe Obst-, Käse-, Wurst-, Honiglieferanten auf ihre Produktqualität getestet,“ erinnert sie sich.  Anfangs wurden die Torten in Auftrag gegeben. Heute arbeitet hier eine tolle Köchin, die zudem gelernte Bäckerin ist. Brot, Brötchen, Kuchen werden selbst gebacken, Marmeladen, Saucen, Brotaufstriche in Eigenproduktion hergestellt. Die meisten Produkte kommen aus der Region. Der Käse kommt aus der Nachbarschaft, ebenso der Kaffee von einer Privatrösterei.

„Das viel größere Problem war jedoch für mich anfangs, zu akzeptieren, dass ich mit meinem kompletten Rückzug aus der Finanzwelt zwischen Baum und Borke geriet. Ich wurde – so habe ich das für mich empfunden, in meiner beruflichen Kompetenz und trotz meines Know Hows bedeutungslos und das hat doch lange ordentlich an meinem (bis dahin ausgeprägtem) Selbstbewusstsein genagt. Aus der einen Welt raus, noch nicht in der neuen angekommen. Ich habe mich anfangs sehr schwer getan, in die dienende Rolle zu gehen. Ich bin Sternzeichen Schützin, sehr eigenständig und freiheitsliebend, kann mich schlecht unterordnen, will alles kontrollieren und nehme nicht gerne Kritik an. Plötzlich sah ich mich bei so banalen Dingen wie Tischabräumen oder musste mich mit den Wünschen und Forderungen unserer Gäste auseinandersetzen. Es hat schon etwas gedauert, bis ich aus meiner neuen Arbeit die gleiche Wertigkeit für mich schöpfen konnte. Heute weiß ich, dass die Wertschätzung der Gäste für das, wir anbieten, etwas ganz Besonderes ist. Dass ich hier so viele unterschiedliche und spannende Menschen kennenlerne, empfinde ich persönlich als echte Bereicherung. Unsere Gäste kommen aus unterschiedlichen Gründen zu uns. Die einen sind geschäftlich unterwegs, andere kommen wegen der Hochschule oder wollen ihre Familien besuchen. Viele sind mit dem Fahrrad unterwegs.

Zukunftswerkstatt 2018

Aber auch die Zukunftswerkstatt des unternehmerinnen forum niederrhein, dem ich seit 2009 angehöre, hat hier 2018  stattgefunden.

Wir können Feste für bis zu 130 Personen ausrichten und bieten neben dem Frühstück unsere beliebte Kaffee- und  Tea-Time-Tafel an, sowie das BBQ im Sommer. Die Auslastung ist erfreulich gut.“

Buchen kann man den Lindenhof übrigens über ein eigenes online-System, aber auch über andere Buchungsportale und natürlich über Empfehlung. Der Lindenhof gehört zu den Greenline Hotels  .Diese meistens inhabergeführten Hotels verpflichten sich u.a.  umweltfreundlich, qualitätsbewusst und nachhaltig zu arbeiten. Die Zertifizierung wird alle 3 Jahre erneuert. „ Wir haben heute  einen Level von 3 (von möglichen 5), wollen natürlich immer noch besser werden. Wir punkten z.B. mit Biodiversität, Bio-Kläranlage, nachhaltigem Wirtschaften  und ….wir sind inhabergeführt.“, so Sibylle Merrettig.

Die Coronapandemie hat natürlich auch den Lindenhof getroffen. „Aber nicht ganz so dramatisch, wie man es anfangs  hätte vermuten können. Wir beide haben das Frühjahr 2020 genossen. Zum ersten Mal seit langem waren wir allein mit unserem Garten, unseren Hunden Lisa und Lola. Mein Pferd Poldi wusste gar nicht, wie ihm geschah, als er nun fast täglich ausgeritten wurde.

Ab Sommer hatten wir ja wieder für einige Monate geöffnet. Ab Ende 2020 dann während des nächsten Lockdown haben wir renoviert, gestrichen, im Garten einiges erneuert und verändert, wir haben uns darum gekümmert, dass hier Glasfaser gelegt wird. Wir konnten die Zeit ganz gut überbrücken. Ich beschäftige mich momentan intensiv mit dem Thema Solarlampen. Alle die zeitintensiven Dinge konnten so angegangen werden.“

Als sich im späten Frühjahr 2021 abzeichnete, dass der Betrieb langsam wieder anlaufen konnte,  stieg am 19. Juni  die aufgeschobene aber nie aufgehobene Jubiläumsparty. „Wir haben es für uns getan. Wir wollten auf das, was wir bisher geschafft haben und auf das, was noch kommt, im Freundes- und Bekanntenkreis anstoßen und den Abend einfach genießen. Das Wetter hat mitgemacht, wir hatten mit der „Kellerband“ eine mitreißende Band zu Gast, es waren um die 60 Gäste da, die Atmosphäre war einfach wunderschön.“

Text Gabriele Coché-Schüer
Fotos:Maro; SamiraM,Danu60, privat

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