Landwirtschaft – kein leichtes Geschäft
Neugierig sind wir der Einladung unserer Netzwerkpartnerin, Annegret Berger-Lohr, gefolgt. Ziel des Jour Fixe war dieses Mal Hünxe. Schon auf dem Weg dorthin, durch verschlungene Waldwege, wurde uns deutlich, welch weite Wege doch die eine oder andere Frau auf sich nimmt, um an unseren Treffen im unternehmerinnen forum niederrhein teilzuhaben. Ich hatte schon an Hänsel und Gretel allein im Wald gedacht… und dann, noch eine Kurve weiter, lag er da, der rund 100 Jahre alte Hof der Familie, mitten in der Idylle des Niederrheins. Annegret empfing uns herzlich mit einem köstlichen Cocktail aus Sekt und Wein. Dann ging es auf den Hof hinaus. Wir kamen gerade zur rechten Zeit, denn die Kühe wollten gemolken werden. Zug um Zug machten sie sich in scheinbarer Ordnung auf den Weg in den Melkstall, um es sich nach getaner Arbeit auf den so beliebten „Kuhmatratzen“ so richtig gemütlich zu machen. Es wirkte fast wie ein Sonnenbad im Kuhstall – nur ohne Sonne halt. „Die Kuhmatratzen sind ganz beliebt unter den Kühen. Wir hatten zunächst nur ein paar Stück davon, doch die Kühe drängten sich darum und so kamen wir gar nicht umher, den ganzen Stall damit auszustatten“, so Annegret. Etwas Abseits von den Kühen entdeckten wir die Kälber in ihren Ställen. Die ganz jungen Tiere werden noch eine Woche mit der Muttermilch gefüttert, bis sie mit einem Chip ausgestattet werden und lernen, Milchpulver aus dem Eimer zu sich zu nehmen. Jedem Tier wird über den Chip die passende Futtermenge zuteil.
Die gute Milch ist für den Verbraucher und die Verbraucherin gedacht. Täglich produziert der Hof ca. 6.000 Liter Milch, die Dr. Oetker für uns zu Milch, Quark, Joghurt oder Käse verarbeitet. Der Milchpreis macht den Höfen zu schaffen und so ist es heute gar nicht mehr selbstverständlich, dass mehrere Generationen von einem Hof leben können.
Annegret und ihr Mann haben frühzeitig vorgesorgt und bewirtschaften neben dem eigenen Hof und einiger Immobilien noch den elterlichen Hof von Annegret. Er liegt ca. 10 km entfernt und will ebenfalls täglich 3 Mal besucht werden, damit auch dort alles gut läuft.
Der Qualitätsanspruch an die Landwirte ist hoch, die Preise im Keller. Da kann die Landwirtschaft nur mit einer guten Qualität und Quantität die Zukunft sichern.
„Das Tierwohl ist uns ganz wichtig. Wir kennen unsere Tiere und wir haben sie sehr gut im Blick. Aus diesem Grund haben wir uns auch bislang gegen eine Roboter-Melkmaschine entschieden und melken immer noch manuell. So ist der Landwirt heute in einem guten Kontakt zur Kuh und erkennt, wenn eine Besamung ansteht oder die Kuh etwas anderes braucht.“
Die älteste Kuh im Stall ist 12 Jahre alt. „Wir reizen die Milchmenge nicht aus. Wir haben immer noch etwas Luft nach oben, so geht es der Kuh gut und langfristig gesehen, auch uns“, beschreibt Annegret den Grundsatz ihres Betriebes.
Der Hof ist inzwischen dem Sohn übergeben, der ihn mit seiner Frau Monika und den beiden Kindern voller Energie und Freude bewirtschaftet. „Landwirtschaft kann man nur mit Freude machen, oder gar nicht“, so Annegret Berger-Lohr. Stolz ist sie auch auf ihre Schwiegertochter Monika, die Betriebswirtschaft studierte und im Controlling gearbeitet hat. Heute ist Monika aus dem Betrieb des Hofes nicht mehr wegzudenken. Sie führt das Büro, versorgt die Kälber und entwickelt den Betrieb gemeinsam mit ihrem Mann weiter. Ihre Kinder lieben den Hof. „Sie gehen gar nicht gerne in den Kindergarten oder in die Schule. Sie sind viel lieber hier zu Hause, denn hier passiert immer etwas!“ so Monika und ein Blick in die leuchtenden Kinderaugen bestätigen dies.
Beeindruckt von den Bildern, die wir gesehen haben, von den schönen Augen der kleinen Kälber und den interessierten Blicken der Kühe, kehren wir ins Wohnhaus zurück. Die Tafel ist gedeckt mit allen Köstlichkeiten, die frau sich wünschen kann. Überglücklich nehmen wir Platz am Tisch und freuen uns auf ein reichhaltiges Abendmahl.
Herzlichen Dank, liebe Annegret. Es war köstlich! Ich hoffe, Du und Deine Familie findet ebenso Gefallen an unserem Präsent: Ute Kosmell von „cake&more“ hat eine Kuh-Torte für Euch gebacken.
Wie es um das Wohl und Wehe der Bäuerin steht, berichtete Edelgard Stahl-Kamerichs, Annegrets Schwester, die aus einer repräsentativen Studie eines Marktforschungsunternehmens zitierte, dass seitens der NRW Landfrauenverbände beauftragt worden ist, die aktuelle Situation der Bäuerin zu untersuchen. Edelgard Stahl-Kamerichs ist Kreisvorsitzende der Landfrauen im Rheinkreis Neuss/Mönchengladbach, wo sie mit ihrem Mann einen Hof bewirtschaftet, dessen Boden so erträglich ist, dass sie „auf Viehzucht verzichten kann“. Die beiden Schwestern sind sehr aktiv im Kreis der Landfrauen. Das Netzwerk der Landfrauen ist übrigens weit größer, als viele andere Netzwerke wie z.B. der VdU. Hier engagieren sich die meist sehr gut ausgebildeten Landfrauen ehrenamtlich und zeigen Flagge, wenn es gilt, aufzustehen und für die Landwirtschaft einzutreten. Ist dieser Markt doch unendlich stark reglementiert und so gar nicht das, was eine freie Marktwirkschaft ausmacht. Die Mühlen der Verwaltung zwischen Land, Bund und Europa finden viel Raum, Vorschriften für die Landwirtschaft zu erlassen.
Und hier der Bericht von Edelgard Stahl-Kamerichs
„Liebe Kolleginnen,
in Nordrhein-Westfalen gibt es 34.000 landwirtschaftliche Betriebe.
Wie geht es den Frauen in den landwirtschaftlichen Betrieben ?
Das wollten auch die beiden LandFrauenverbände in NRW, der RhLV (Rheinischer LandFrauenverband) und der wllv (Westfälisch-Lippischer LandFrauenverband) genau wissen und führten deshalb eine Befragung durch. Die LandFrauenverbände sind Frauenverbände, die sich für die Interessen von Bäuerinnen und Frauen aus dem ländlichen Raum einsetzen.
Gliederung: Ortsverband Hünxe = 220 Mitglieder, Kreisvorstand = ca. 3.300 Mitglieder, Land NRW = 60.000 Mitlieder und Deutscher LandFrauenverband = 500.000 Mitglieder
Was wusste man über die Frauen?
In der Agrarstatistik finden wir vor allem nur Angaben zu Hektar- und Viehzahlen.
In den Betriebsergebnissen oder Rentenbescheiden spiegelt es sich auch nicht wieder.
Wesentlichen Einfluss auf das Leben der Frauen hat aber sicher die Rechtsform der landwirtschaftlichen Betriebe
In NRW sind = 91 % Einzelunternehmen, klassischer Familienbetrieb
Um genau zu erfahren, wie die Lebens- und Arbeitssituation der Bäuerinnen ist, beauftragten die Landfrauenverbände eine Marktforschungsagentur, die die Bäuerinnen in einer Repräsentativen Studie befragten. Dabei kam folgendes heraus:
Der Alltag der Bäuerin ist eine Herausforderung. Wer einen Bauern heiratet, lebt in einer Hofgemeinschaft und übernimmt eine Vielzahl von Aufgaben.
83% der Frauen arbeiten auf dem Höfen aktiv mit (nur 17 % nicht).
Sie arbeiten in folgenden Bereichen mit, z.B. im
- Agrarbüro 77% (enorme Dokumentationspflichten, (Satelliten..) Preisentwicklung an der Börse beobachten, Angebote für Betriebsmittel einholen…)
- mithelfende Familienangehörige im Stall und auf dem Feld 69 %, (Melkarbeiten im Stall, Grubbern auf dem Feld, Saatgutreinigen)
- Springer 74% wo immer Not am Mann ist (Saatgut beim Landhandel abholen, Werkzeug zum Feld bringen, Treckerfahrer beim Ankuppeln des Anhängers dirigieren.)
- Co-Betriebsleiterin. 70 % aller befragten Bäuerinnen sagten aus, dass Sie gemeinsam mit ihrem Mann alle betrieblichen Entscheidungen treffen.
- und 10 % der Bäuerinnen haben einen eigenen Betriebszweig z.B. einen Hofladen oder einen Erlebnisbauernhof für Kinder (Zusatzeinkommen)
Die Frauen in der LW bringen heute vielfältige berufliche Qualifikationen mit. Sie sind Ärztin, Tischlerin, Ergotherapeutin, Bankangestellte oder Journalistin. Jede 4te weist einen Studienabschluss auf. Die wenigsten haben ‚Bäuerin‘ (landwirtschaftliche Ausbildung) gelernt. (Hier findet ein kleiner Wandel statt..) Je jünger die Frauen, desto häufiger sind sie außerhalb des Betriebes tätig.
Heute arbeitet mehr als jede dritte Bäuerin in ihrem erlernten Beruf, zumeist in Teilzeit, mit durchschnittlich einer halben Stelle pro Woche. Tendenz steigend (45 % bei den unter 39jährigen). Für diese Frauen sind das schnelle Internet für die Heim- oder Telearbeit und das öffentliche Verkehrsnetz sehr wichtig, denn der außerlandwirtschaftliche Arbeitsplatz ist oft sehr weit entfernt. Für die Mobilität auf dem Land ist ein eigenes Auto unbedingt erforderlich. Kindergarten, Schule, Ärzte, Behörden sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln oft nur sehr zeitaufwendig zu erreichen. Trotz der außerlandwirtschaftlichen Berufstätigkeit helfen viele Frauen dennoch im Betrieb mit.
Auf 11 % der Höfe ist eine Frau der Chef.
Durchschnittlich arbeitet jede befragte Frau mehr als 20 Stunden pro Woche im landwirtschaftlichen Betrieb.
Die klassische Rollenverteilung ist in der Landwirtschaft weiterhin ausgeprägt. Die Frauen erziehen nicht nur die Kinder und verpflegen die Mitarbeiter des Betriebes, sondern betreuen auch die Elterngeneration. Wobei hier auch zunehmend Hilfe von außen angenommen wird und die Väter sich um ihre Kinder kümmern.
Dann haben die Frauen tatsächlich noch Zeit sich für ca. 1-2 Stunden pro Woche ehrenamtlich zu engagieren.
Durchschnittlich arbeiten die Frauen insgesamt 62 Stunden pro Woche. Das sind 16 Stunden mehr als der Durchschnitt aller erwerbstätigen Frauen in Deutschland (46 h/Woche)
Wie sieht es mit dem Urlaub aus? Der ist rar. 1/3 der Bäuerinnen können nicht oder max. 1-5 Tage pro Jahr in Urlaub fahren.
Was macht Freude?
Betrachtet man die Vielzahl der Aufgaben und Pflichten, dann stellt sich heraus, dass die Frauen mit Freude ihre Arbeit machen, wobei die Hausarbeit am schlechtesten abschneidet.
Was macht den Frauen Sorgen?
- An 1. Stelle stehen finanzielle Sorgen aufgrund von niedrigen Erzeugerpreisen und hohen Kosten in der LW und den zunehmenden gesellschaftlichen Anforderungen an die Landwirtschaft.
- Auch die betriebliche Zukunft scheint vielen auf der Seele zu liegen, eben, weil diese so ungewiss ist – vor allem in tierhaltenden Betrieben.
- gefolgt vom Zeitmangel und hohem Arbeitsaufkommen: 40 % der Frauen suchen nach Lösungsstrategien.
- Neu ist, dass Frauen auf dem Land daran leiden, wie viel Unverständnis ein Teil der Gesellschaft ihrer Arbeit in der Landwirtschaft entgegen bringt.
Folgendes Zitat aus der Studie drückt das aus:
„…ich habe schon immer viel Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Und dann hat man manchmal das Gefühl, dass 10 Minuten im Fernsehen reichen und alles ist wieder hin.“
Wertschätzung empfinden viele Frauen dagegen im Miteinander im Dorf sowie im Ehrenamt. Zufrieden sind vor allem Frauen, die selbständig in einem Betriebszweig arbeiten oder einer außerlandwirtschaftlichen Beschäftigung nachgehen.
Trotzdem blicken die Frauen optimistisch in die Zukunft. Das Engagement, für ihren Betrieb etwas zu erreichen, macht stark – und an kreativen Ideen mangelt es den Frauen ganz sicher nicht. Ob Hofladen, Kindergarten auf dem Bauernhof– das Leben auf dem Land bietet interessante Geschäftsfelder und gleichzeitig viel Raum zur persönlichen Entfaltung.“
Annegret Berger-Lohr kann das alles nur bestätigen. Es deckt sich mit ihren Lebenserfahrungen. Lange Jahre hat sie die Schwiegermutter auf dem Hof versorgt, als diese krank wurde. Reisen? Das kam eigentlich gar nicht in Frage. Erst heute, wo einer der Kinder den Hof übernommen hat, findet sie Zeit, ihre Träume wahr werden zu lassen und freut sich darüber, mit den Landfrauen – und auch schon einmal mit dem unternehmerinnen forum niederrhein – auf Reisen zu gehen. So entdeckte sie schon wundervolle Ort und Länder; Italien, Paris, Südafrika….“Aber immer nur für ein paar Tage“, wirft Annegret ein. Ihr Mann fühlt sich dem Hof noch tiefer verwurzelt und teilt diese Träume lieber nicht mit ihr. Umso wichtiger ist es für die Landwirtin, Teil eines starken Bündnisses zu sein, nicht allein zu sein und Raum für ihre Freiheiten zu haben. „Auf diese Weise sind alle glücklich.“
Auch Monika, die Jungbäuerin, kennt das schon. Auch ihr Mann kann sie immer nur ein paar Tage auf Reisen begleiten. „Es passiert jedes Mal etwas. Mal ist es die Melkmaschine, dann fällt der Strom aus…das sind existenzielle Dinge, da muss sich mein Mann einfach drum kümmern, auch wenn wir inzwischen auch Helfer und Melker auf dem Hof beschäftigen. Manche Dinge kann man einfach nicht delegieren.“
Und wovon träumt die junge Frau? Voll Hingabe hat sie ihre Aufgabe auf dem Hof gefunden. Sie liebt es, so viel Zeit und Raum mit den Kinder zu teilen und Teil einer Großfamilie zu sein. „Mit der Zeit werde ich mir aber auch eine kleine Aufgabe außerhalb des Hofes suchen. Vielleicht ein paar Stunden im Controlling…wer weiß, was sich da auftut…“, sinnt Monika. Sie kann auf ihre gute Ausbildung und ihre Erfahrung vertrauen und weiß, dass sie auf dem Hof maßgebliche Fähigkeiten des Change-Management´s trainiert. Jeden Tag.
Fazit: Wir haben eine 3-Generationen-Familie unter einem Dach angetroffen, die Hand in Hand miteinander und füreinander lebt und glücklich scheint. Das berührt.
Barbara Baratie Fotos Marjolein van der Mey