„Es ist soo schön, dass Sie leibhaftig hier sind. Ich habe Ihre Bücher gelesen und wenn ich ehrlich bin, mir kommt es heute tatsächlich so vor, als kenne ich Sie schon viel länger persönlich!“ Mit diesen Worten begrüßte Gastgeberin Gabi Rasim Dr. Dorothee Achenbach an diesem Samstagnachmittag auf ihrem Hof in Hamminkeln.

Das wunderschön gestaltete Café des Landhofes ‚Alpakas am Schloss‘  direkt neben dem Schloss Ringenberg gelegen, war bis auf den letzten Stuhl besetzt. Barbara Baratie, die die Lesung mit Dorothee Achenbach im Rahmen des unternehmerinnen forum niederrhein initiiert und organisiert hatte, dankte Gabi und Dr. Wolfgang Rasim in ihrer kurzen Begrüßung dann auch noch einmal für die Möglichkeit, das Platzangebot kurz und unkompliziert von 40 auf 50 Sitze zu erweitern.

Ein perfektes Setting: schönstes Sommerwetter und beste Ausflugszeit! Dazu ein Publikum, (in der Mehrzahl weiblich) das gespannt darauf wartete, dass Dorothee Achenbach nicht nur Passagen aus ihren beiden bisher erschienenen Büchern las. Wirklich gespannt waren alle darauf, was sie darüber hinaus erzählen würde…

Denn eines war ihr bisheriges Leben ganz sicher nicht: langweilig.  Es ist vielmehr der Stoff, aus dem in Hollywood erfolgreiche Filme gemacht werden. Hier wie dort geht es in atemberaubendem Tempo um Aufstieg und Fall, Liebe, Enttäuschung und Betrug, Glamour und Glitzer, maßlose Gier und Selbstüberschätzung und natürlich viel, viel Geld.

Dorothee Achenbach, promovierte Kunsthistorikerin, heiratet den um einiges älteren, aber sehr umtriebigen Kunsthändler Helge Achenbach. Der wird sehr schnell zu einem international renommierten und bestens vernetzten Kunstberater. Er berät große Unternehmen und berühmte, vor allem sehr reiche Privatleute,  beim Aufbau von wertvollen Kunstsammlungen. Die beiden gelten als Power-Paar, sie bekommen zwei Kinder. Die Erfolgsgeschichte hätte ewig so weiter gehen können, wenn Achenbach nicht am Ende über die Gier nach immer noch mehr, gepaart mit dem Gefühl der Unbesiegbarkeit, gestolpert wäre.

2014 wird er noch auf dem Flughafen in Düsseldorf festgenommen und kommt in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: Er soll seinen verstorbenen Freund Berthold Albrecht durch manipulierte Rechnungen um viele Millionen gebracht haben.

Was jetzt folgt, ist der unaufhaltsame Absturz eines bis dahin luxuriösen und aufregenden Lebens ins scheinbar Bodenlose. Dorothee Achenbach erlebt, wie sich ihr bisheriges  Leben innerhalb kurzer Zeit pulverisiert.

Hausdurchsuchung, Kontensperrung, Gerichtsvollzieher, traumatisierte Kinder, täglich neue  Schlagzeilen, materielle Sorgen, Angst, Abwicklung der Achenbach’schen Firmen, Gerichtsprozesse und eine gnadenlos bürokratisch vorgehende Justiz. Nichts bleibt ihr an Privatsphäre, alles wird ans Licht gezerrt, die Medien stürzen sich gierig auf jedes bekannt werdende Detail.

„Das ist eigentlich das, was mich am meisten entsetzt und an den Rand des Zusammenbruchs gebracht hat: Man ist von einer Sekunde auf die andere allen Mächten hilflos ausgeliefert. Ich wusste einfach nicht, dass man den Beamten die Hausdurchsuchung verwehren kann, wenn nur ein Minderjähriger (ihr Sohn Anm.d.A.) im Haus ist. Mir war auch nicht bewusst, dass ich nach der Verhaftung wochenlang keinen Kontakt zu meinem verhafteten Mann würde aufnehmen können und dass jeder Schriftwechsel zwischen uns mitgelesen und jedes Telefonat mitgehört würde. Ich werde z.B. auch nie verstehen, warum ich vieles von meinem nachweislich persönlichen Eigentum wie z.B. ein Uecker-Werk nicht zurückbekommen habe, dass man sogar auf unseren Hund oder einen der Kois einen Kuckuck hätte kleben können, wenn der Gerichtsvollzieher das wirklich gewollt hätte“ merkte sie an. „Mein Mann saß im Gefängnis, ich war mit den Kindern draußen und hatte mit allen Folgen seiner Betrügereien zu kämpfen. Er musste sich unmittelbar keine Sorgen machen, ob der nächste Wocheneinkauf gesichert war, dass wir zwischenzeitlich das Haus verloren hatten und ich eine neue Bleibe für uns finden musste.“

Bis dahin gute Freunde setzten sich ab, von anderen wiederum bekam sie viel Unterstützung. Ihre Eltern griffen ihr immer wieder unter die Arme. Nachdem ihr diskret bedeutet wurde, dass ihre regelmäßig in Fachzeitschriften erscheinenden Artikel erst einmal nicht mehr gewünscht waren, wechselte sie in den Aktivmodus. In ihrem über Nacht zum Spiegel-Bestseller avancierten Buch „Meine Wäsche kennt jetzt jeder!“ und dem zweiten Buch „Ich liebte Sträfling Nr. 1“ beschreibt sie (bemerkenswert humorvoll und sehr offen) das auf sie hereingebrochene Desaster.

„Es kriselte bereits vorher in unserer Ehe, die Scheidung 2016 war da nur konsequent, zumal ich zwischenzeitlich erfahren hatte, dass er über Jahre mit schöner Regelmäßigkeit fremdgegangen war.“ Dorothee Achenbach erzählt über all die Katastrophen mit leichter Ironie und manchmal scheint durch,  dass sie viele Dinge nur so erzählen kann, weil ihr das, was ihr passiert ist, im Nachgang als Satire pur erscheint.

Sie hat es augenscheinlich geschafft, die größte Krise ist überwunden, sie hat eine eigene kleine Kunstagentur gegründet („das habe ich ja gelernt…“), sie schreibt an ihrem dritten Buch, berichtet davon, dass sie viele neue wertvolle und vor allem eigene Verbindungen schaffen konnte. Mit ihrem geschiedenen Mann, der kürzlich nach vier Jahren Haft wieder frei kam, hat sie fast täglich Kontakt. „Ja, das ist auch ganz natürlich. Als ich meinen  Ex-Mann kennenlernte, hatte er bereits 6 Kinder aus 3 Ehen. Wir sind einfach eine Riesenfamilie, in der ständig irgendetwas passiert.“

Und natürlich hat das Publikum nach ihrem Vortrag Redebedarf.

Dorothee Achenbach bleibt – Es gibt ein fantastisches Kuchenbuffet. Wer wollte, konnte im Anschluss an die Lesung mit Wolfgang Rasim einen kleinen Gang zu den Alpakas machen (Haben Sie schon einmal in die schönen, mit langen Wimpern umflorten Augen dieser Tiere geschaut?). Es ist im Übrigen schon eine kleine Herde mit großen und jungen Tieren und wie Wolfgang Rasim stolz anmerkte, wird deren Wolle für  die Herstellung feinster Bettdecken genutzt.

Der Samstagnachmittag geht für einige noch lange weiter bei Kuchen, Kaffee und später mit einem kühlen Weißwein. Auf der Wiese, am langen Tisch, mit netten Menschen, unter Bäumen – muss man mehr sagen?
Gabriele Coché-Schüer

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Herbert Sekulla
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