Es hat mehrere Anläufe gebraucht, bis Gabriele Brimmers einem Interview über sich zustimmte. Und dass es tatsächlich zu diesem Interview kam, ist eher der Tatsache zu verdanken, dass es viel Neues über das Unternehmen zu berichten gibt, das sie seit 25 Jahren gemeinsam mit ihrem Mann Jakob und ihrem Schwager Lambert zu dem hat wachsen lassen, was es heute ist: Eine national agierende Speditionsgruppe mit über 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und 120 „ziehenden Einheiten“, wie man in Fachkreisen sagt. Eine Vorstellung von der Größe des Fuhrparks bekommt man, wenn man abends oder am Wochenende auf der A40 von Venlo kommt. In Höhe der Abfahrt Niederdorf fallen die in den Firmenfarben Rot und Türkis gehaltenen Gebäude und davor in einer langen Linie geparkten LKWs sofort ins Auge.
Sie fallen auf, die LKWs von Raeth
„Das stimmt. Unsere Firmenfarben sind schon auffallend. Ich werde oft darauf angesprochen, z.B. wenn jemand wieder einen unserer LKWs unterwegs getroffen hat. Wir finden das gut. Wir sind Spezialisten in der Pflanzenlogistik und versorgen Baumärkte und Gartencenter mit bunter Blumenvielfalt“, erklärt Gabriele Brimmers. „Mein Schwager Lambert sagt immer, dass die LKWs unsere beste Werbung sind. Aber auch die Firmengebäude in diesen Farben zu gestalten, war schon nochmal eine besondere Entscheidung.“
2019 hat die Spedition Raeth ihren Firmensitz vom Straelener Gewerbegebiet „an der Bleiche“ auf das Heronger Feld 15 verlegt. Darüber wird noch zu sprechen sein.
„Für mich war Selbständigkeit von frühauf selbstverständlich. Ich komme aus einer Kaufmannsfamilie. Mein Vater war erst Futtermittelhändler, hat dann später eine Vertretung für Natursteine übernommen. Er war viel unterwegs. Meine Mutter hat- neben Hausarbeit und vier Kindern- die Büroarbeit übernommen. Sie war da sehr gut strukturiert und diszipliniert. Und schon ganz früh wollte ich genau das auch: einen Beruf, in dem ich mit meinem Mann zusammen arbeiten kann,“ erzählt Gabriele Brimmers, „In meiner jugendlichen Vorstellung war es für mich die ideale Möglichkeit, Geschäft und Familienleben miteinander zu vereinbaren.“
Gabriele B. ist gebürtige Krefelderin, sie hat dort ihr Abitur gemacht und 1981 bei der Spedition Taaks ihre Ausbildung zur Speditionskauffrau begonnen. „In der Berufsschule habe ich damals meinen Mann kennengelernt, dessen Eltern Heinrich und Karola Brimmers das Speditionsunternehmen Jakob Raeth oHG in zweiter Generation führten. Obwohl damals überhaupt noch nicht abzusehen war, dass wir beide einmal ein Paar werden würden, haben wir uns von Anfang zueinander hingezogen gefühlt, wir waren in der Berufsschule unzertrennlich, zwischen uns gab es zudem dauernd so etwas wie freundschaftliche Konkurrenz und Wettkampf. Wir wollten beide immer gut sein“, sagt Gabriele Brimmers lachend, „ich bin etwas älter als mein Mann, mit Abitur konnte ich zudem auch etwas früher meinen Abschluss machen. Mein Vater hat mich auf die damals wie heute renommierte Deutsche Außenhandels- und Verkehrsakademie (DAV) in Bremen aufmerksam gemacht. Zu der Zeit war Bremen übrigens die erste Adresse, wenn es um das noch neue Thema Logistik ging. Dort habe ich bis 1984 studiert. Jakob ging erst nach Berufsabschluss und Bundeswehr nach Bremen, während ich zwischenzeitlich bei einer großen Spedition im Controlling arbeitete. Jakob und ich waren da schon längst ein Paar.“
Mittlerweile stand fest, dass die beiden Söhne der Brimmers, Lambert und Jakob, ins elterliche Geschäft einsteigen wollten. Damals war es noch wesentlich komplizierter, den Fuhrpark zu erweitern. Man musste hierzu sogenannte „Fernverkehr-Konzessionen“ erwerben. Jakob Brimmers erreichte das damals mit der Übernahme einer Duisburger Spedition und brachte so mehr Kapazität ein. Vater Heinrich Brimmers holte kurz darauf die zukünftige Schwiegertochter Gabriele in die Firma, um die komplexer werdende Buchhaltung „ins Haus zu holen“.
Privat lief auch alles bestens. 1991 Heirat und Geburt der beiden Söhne Florian (1992) und Tobias (1994). Dass Gabriele B. weiter berufstätig bleiben würde, war von Anfang klar. „Ich wollte immer arbeiten, habe jedoch darauf geachtet, dass ich meine Arbeit gut mit meiner Familie verbinden konnte. Das habe ich mit den beiden kleinen Kindern immer ganz gut hinbekommen. Ich hatte zudem das wirklich große Glück, dass meine Schwiegereltern mich immer wie ihre eigene Tochter behandelt haben.“
2001 treten die Söhne Jakob und Lambert als Gesellschafter ein. Die Firma heißt jetzt Jakob Raeth GmbH & Co. KG. Vater Heinrich zieht sich Stück für Stück aus dem operativen Geschäft zurück.
Heute ist Gabriele Brimmers zuständig für die gesamte Finanz- und Lohnbuchhaltung. Es gibt mit der Plant Logistik GmbH einen weiteren Standort in Leingarten bei Heilbronn, der als Drehscheibe für den Süden fungiert und Beteiligungen an zwei weiteren Unternehmen. Ein Standort befindet sich direkt an der Landgard. Von hier aus gehen Tag für Tag hunderttausende von Blumen in alle Welt. In einen Sattelschlepper passen ca. 40-43 von diesen Blumen-Containern, die man reihenweise in den Gartencentern oder vor den Supermärkten sieht. Das bedeutet, dass die Spedition Raeth in der Saison jeden Tag LKW um LKW mit unzähligen Blumen und Pflanzen auf die Reise schickt.
Blumen, soweit das Auge reicht 40-43 dieser Container passen in einen Transporter
Eine Frau zwischen zwei Männern. Wie funktioniert eine Geschäftsführung mit zwei Brüdern? „Sehr gut. Die beiden Brüder haben ihre Arbeitsbereiche klar definiert. Lambert ist für das operative Geschäft also Disposition, Fuhrpark und Werkstatt zuständig. Mein Mann Jakob ist verantwortlich für die kaufmännische Seite, er kümmert sich um die Finanzen, Akquise, Kundenbindung. Beide Brüder sind ausgemachte Netzwerker, Teamplayer und wir bereden vieles miteinander. Es klappt auch deshalb, weil wir uns über die Jahre immer um Wertschätzung und Respekt bemüht haben. Ich wollte eigentlich nie Chefin sein und bin doch über die Jahre langsam in die Rolle reingewachsen.“
Für Gabriele Brimmers war die Planung und die erfolgreiche Umsetzung des neuen Firmengeländes „unser Lebensprojekt“. Am alten Standort an der Bleiche platzte alles aus den Nähten. Unter dem Motto „Wir fahren in die Zukunft“ hat sie von Anfang jeden einzelnen Schritt mit geplant, organisiert, im Team mit den Brüdern und dem jungen Assistenten der Geschäftsleitung. „Ich hatte ja im Vorfeld keine wirkliche Ahnung, was für so einen neuen Betriebsstandort allein mit den Behörden von Stadt, Kreis und Land zu regeln ist. Wir haben jedoch gute Erfahrungen mit dem Kreis und der Stadt gemacht. Bei einem Investitionsvolumen von 7 Millionen Euro ist es überlebenswichtig, dass man die Kosten im Auge behält. Aber jeden Morgen, wenn ich hierherfahre, weiß ich: es hat sich gelohnt!“
Neben dem Bürogebäude, Werkstatt und LKW-Waschstraße steht eine weitere 4000m² große Halle, die teilweise für Pflanzen als Kühlraum genutzt kann, aber ebenso zur Lagerung und Kommissionierung für andere Produkte geeignet ist. „Wir sind hier direkt an der holländischen Grenze, auf beiden Seiten hat sich eine enorm vielseitige und dynamische Logistikbranche entwickelt. Hier sehen wir in den nächsten Jahren unser zusätzliches Geschäft.“
„Wir sind hier direkt an der holländischen Grenze,
auf beiden Seiten hat sich eine enorm vielseitige und dynamische Logistikbranche entwickelt.“
Bei Raeth wird ausgebildet. Es sind regelmäßig 12 Auszubildende, 4 pro Ausbildungsjahr, die zu Berufskraftfahrern ausgebildet werden und 2 bis 3 Kaufleute. Hier sieht sich Gabriele Brimmers in besonderer Verantwortung, weil das Unternehmen so ihren eigenen Nachwuchs ausbilden kann. Die angehenden Berufskraftfahrer werden jeden Montag noch einmal extra von ihr z.B. in Mathe unterrichtet. Darüber hinaus hält sie engen Kontakt zum Essener Berufskolleg. Wenn es sein muss, auch mit den Eltern. Die Azubis nehmen dieses zusätzliche Angebot gerne an.
„Mein Mann und mein Schwager sind beide gut vernetzt, machen u.a. seit vielen Jahren Verbandsarbeit und tauschen sich regelmäßig mit Kollegen aus. So etwas fehlte mir lange Zeit. Das sollte es doch auch für die Frauen geben, die in verantwortlicher Position arbeiten. Vor 15 Jahren haben wir deshalb eine Unternehmerinnengruppe unter dem Dach der Bundeszentralgenossenschaft Straßenverkehr ins Leben gerufen. Wir treffen uns zweimal im Jahr zu einem mehrtägigen Austausch. „Es gibt Schwerpunktthemen, Vorträge und wir tauschen uns aus. Die Treffen sind für uns Frauen aus Speditionen immer sehr ergiebig und wir werden mittlerweile in der immer noch sehr stark Männerdominierten Branche wahrgenommen. Dieser fachliche Austausch ist noch einmal anders als das unternehmerinnen forum, aber genauso wichtig. Im unternehmerinnen forum niederrhein, in dem ich jetzt auch schon viele Jahre Mitglied bin, profitiere ich auf ganz andere Weise von der beruflichen Vielfalt und den hochkarätigen Vorträgen, die mich in meiner persönlichen Entwicklung über die Jahre immer wieder ein Stück weiter gebracht haben. Ich habe hier viele interessante Frauen aus der Region kennen und schätzen gelernt. Hier im Unternehmen denke ich, dass ich als Frau noch einmal einen anderen Blick auf die Dinge habe. Mir ist eine gute Unternehmenskultur sehr wichtig. Wir haben viele langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und wir wissen, was wir an ihnen haben. Die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass Familie und Beruf gut zu vereinbaren sind, war mir immer ein großes Anliegen. Hier als Familienbetrieb flexibel und vertrauensvoll zu sein, zahlt sich immer aus.“
Mir ist eine gute Unternehmenskultur sehr wichtig.
Wir haben viele langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
und wir wissen, was wir an ihnen haben.
Gibt es auch eine private Gabriele Brimmers? „Na klar, mein Mann und ich haben eine feste Vereinbarung: Zuhause ist privat. Wir können das beide ganz gut, Geschäftliches auf den nächsten Tag verlegen. Wir nehmen uns unsere Auszeiten, sind beide gerne mit dem Rad unterwegs und laufen gerne Ski, ich bin schon seit vielen Jahren in einer Sportgruppe aktiv.“
Ihre beiden Söhne sind jetzt mit ihren Ausbildungen fertig. Beide haben ein Studium im Logistikbereich absolviert, sind z.Zt. noch bei anderen Unternehmen beschäftigt – und beide haben schon signalisiert, dass sie in nächster Zukunft ins elterliche Geschäft einsteigen wollen. Auch bei Lambert Brimmers gibt es zwei Kinder als potenzielle Nachfolger. Die vierte Generation steht bereit.
Kann man eigentlich mit dem, was bisher geschafft wurde, zufriedener sein? „Ja, es hat sich für uns gut entwickelt. Wir haben alle dafür viel gearbeitet. Mir ist aber ebenso bewusst, dass zum Erfolg auch immer Glück gehört. Davon hatten wir bis heute ein Menge!“
Interview Gabriele Coché-Schüer