Zu Gast bei Familie Clostermann in Wesel

Mit den Töchtern kommt der Wandel!

Sie sind jung, schön, selbstbewusst, klug und trauen sich was:  Immer mehr Töchter treten die Nachfolge im elterlichen Unternehmen an.

Was bis vor einigen Jahrzehnten in der Regel von den Söhnen mit mehr oder weniger sanftem Druck erwartet wurde, nehmen sich die jungen Frauen heute selber. Die Entscheidung, das elterliche Unternehmen zu übernehmen fällt zwar nicht sofort, und es wird bis dahin durchaus die eine oder andere berufliche Schleife gedreht, aber ist der Entschluss gefasst, dann wird der  interfamiliäre Führungswechsel  mit hoher Professionalität vorbereitet.

„Re-Branding eines Familienunternehmens“ war der  Veranstaltungstitel – aber was sich auf den ersten Blick eher technisch anhört, stellte sich im Lauf des Abends als viel, viel mehr heraus: es sind Familiengeschichten mit Blick zurück und ganz viel Blick nach vorne.

Der Reihe nach.

Der Abend auf den Demeter-Obstplantagen Clostermann  begann für die Ankommenden mit einem ungeheuerlichen  Regenguss und okanartigem Wind.  Die alten Bäume auf dem Jöckern in Wesel-Bislich knarzten und rauschten, die letzten Kastanien polterten auf die Autodächer – der Himmel war pechschwarz. Nichts mehr zu sehen von dem sonst so idyllischen Fleckchen Erde, nichts mehr von der „Landslust-“Atmoshäre an warmen Sommertagen.

War man dem an diesem Freitagabend entronnen und einigermaßen trocken in die heimelige Teestube oder die hell erleuchtete, warme Kulturscheune gelangt, war alles gut.

Während die Mitgliedsfrauen des unternehmerinnen forum niederrhein in der Teestube ihre Jahreshauptversammlung abhielten, kamen nach und nach die Gäste in der Kulturscheune an, wo sie von Julitta Münch, der Moderatorin des Abends, zum Warming Up in Empfang genommen wurden.

 

Wer Julitta Münch aus Ihrer Zeit als WDR-Moderatorin in der WDR-Sendung  „Hallo Ü-Wagen“ kennt, weiß wie schnell sie in der Lage ist, die Gesprächsfäden zu ziehen.  Als die Mitgliedsfrauen zum gemeinsamen Begrüßungsdrink in die Kulturscheune nachkamen, summte es bereits an allen Ecken in der Scheune.

Barbara Baratie, Christina Gesing, Iris Boland

Nach der  Begrüßung unserer neuen Mitgliedsfrauen Christina Gesing von der FOM Wesel und Iris Boland von der Deutschen Vermögensberatung durch Barbara Baratie hieß es dann „Nehmen Sie doch einfach hier Platz“.

Zu Julitta Münch gesellten sich in die Runde: Annette Raadts, Mutter und Tochter Thea und Leslie Clostermann sowie Mara Lütke. Bei ihnen allen stand oder steht jetzt gerade die elementar wichtige Frage  im Raum: Wie soll sich der Wechsel auf die nächste Generation vollziehen? „Ob sie denn als einzige Tochter den Druck ihrer Eltern gespürt hat,  den Betrieb zu übernehmen?“ fragte Julitta Münch eingangs Annette Raadts. Die Chefin der Raadts Edelobstplantagen in Grieth brauchte nicht lange zu überlegen:  „Meine Kindheit hat sich immer draussen abgespielt. Nach der Schule habe ich mir den Hund geschnappt und bin bei uns im Gelände unterwegs gewesen. Im Sommer konnten wir im Baggerloch schwimmen gehen, ich war immer in der Natur – schon als Kind. Als meine Schulzeit zu Ende ging, meinte mein Vater, gehe doch zu Clostermann und mach eine Ausbildung, das ist ein guter Hof, dann siehst du mal weiter. Ich habe die Ausbildung gemacht und ich fand sie toll,  danach bin ich im Alten Land gewesen, wo ich noch einmal in einem anderen Betrieb gearbeitet habe. Dort haben mir alle gesagt: Du musst unbedingt nach Neuseeland. Wenn Du sehen willst, wie professionell gearbeitet wird, dann musst Du jetzt dahin.  Als ich nach 3 Monaten Neuseeland zurück nach Haus kam, wusste ich, das ist mein Zuhause, hier will ich sein, das werde ich in Zukunft machen. Meine Eltern haben mich ganz allein entscheiden lassen.“

Bei Familie Clostermann wurde die Sache mit der Berufswahl der beiden Kinder eher anthroposophisch betrachtet . „Man ließ sie werden,“ schmunzelt Thea Clostermann, „mein Mann hatte seinerzeit als junger Mann den dringenden Wunsch seines Vaters gespürt und ihm nachgegeben – aber nur unter der Bedingung, dass er den  Hof zu einem Demeter-Betrieb macht. Wir wollten unsere Kinder ganz frei entscheiden lassen – Unser Sohn hat sich frühzeitig entschieden, Freie Kunst zu studieren – und bei unserer Tochter sah es auch länger nicht so aus, als würde sie sich für den Betrieb entscheiden.  Sie begann erst einmal mit einem Produktdesign-Studium.  Natürlich wollen alle Eltern, dass das Eigene  mit den Kindern weiter geht, keine Frage, aber ich denke, wir haben uns sehr zurückgehalten.“

Mara Lütke, mit 24 Jahren die Jüngste in der Runde, hat die Firma „der Hauskoch“ ihres Vaters  Ulrich seit vielen Jahren Stück für Stück wachsen sehen. „ Angefangen in einer umgebauten Garage, umgezogen in ein größeres Haus mit entsprechender Küche, dann Einrichtung  einer Zentralküche, in der täglich an die 2000 Essen für Kindergärten und Schulen zubereitet werden. Ich wollte gar nicht einsteigen, habe aber nach der Schule trotzdem eine  Hotelfachausbildung gemacht und mehrere Stationen in Hotels gemacht. Irgendwann war klar, ich frage, ob ich bei meinem Vater einsteigen kann.“

„Was passiert dann, wenn klar ist, dass die Tochter jetzt mitreden will?“ will Julitta Münch wissen. Jetzt  zeigt sich, dass im Publikum noch einige potenzielle Nachfolgerinnen mehr sitzen.  Die Herangehensweise ist ganz unterschiedlich, von subtil bis direkt – so könnte man sagen. Da  hat eine junge Frau nach Studium und ganz ersten Berufserfahrungen  den Wunsch, in ein paar Jahren das elterliche Bestattungsunternehmen zu übernehmen – hier sind heimliche Absprachen und Fachmessenbesuche  notwendig – „Da sagen wir erst mal nichts Mama“ – weil man mit Widerstand der mitarbeitenden Mutter rechnet.  Oder die Töchter  von Gabi Völlings, die seit 30 Jahren „ihr Petersilchen“ führt und die es „einfach nur gut findet“, wenn die Töchter übernähmen.  Beide Töchter haben immer nebenher im Restaurant oder beim Catering im Service mit gearbeitet. Für sie ist es „irgendwie“  völlig normal, bald ganz ins Geschäft einzusteigen.

„Wir machen eigentlich schon viel Innovatives“, sagt Mara Lütke, „Wir sind ein reiner Frauenbetrieb und müssen schon daher für familienorientierte Arbeitszeiten sorgen, aber ich persönlich will noch mehr verändern, die Website z.B., unser Werbeauftritt, war so ein erster wichtiger Meilenstein. Mein Vater kann schon mal ziemlich grantig werden, wenn ihm etwas (zuerst)  nicht  passt. Und es knallt auch schon mal ganz kräftig. Trotzdem bin ich seit Mitte des Jahres Geschäftsführerin und ich bleibe dran.“  Väter! Annette Raadts hatte auch einen Vater, der ihr eigentlich ganz nahe war, der bewunderte, was sie alles schaffte und auf den Weg brachte – sich aber doch so schwer tat, diese Anerkennung laut auszusprechen. „Es wäre schön gewesen, wenn er es mir ab und zu gesagt hätte und ich es nicht eher zufällig über Dritte erfahren hätte.“

Auffällig ist, dass die Töchter nicht nur gut ausgebildet sind, sondern mit sehr viel Umsicht und Überlegung den Einstieg planen und vollziehen. Sie wertschätzen sehr, was ihre Eltern geleistet haben, dass sie aber dem Unternehmen ihre ganz persönliche „Marke“ und eigene Qualität geben müssen, wenn sie sich abheben wollen und dass sie Entscheidungen treffen müssen, vor allem um ihr Unternehmen zukunftssicher zu machen.

Bei Annette Raadts waren es wichtige Investitionen wie z.B. die Anschaffung von Hagelnetzen, die Einrichtung eines Hofladens oder ein modernes Corporate Design.  Es geht weiter bei Leslie, die für die Clostermann-Produkte an zukünftigen Vermarktungsstrategien arbeitet und Mara Lütke, die im täglichen Einsatz  immer spürbarer neue Akzente in der Firma „Hauskoch“  setzt .

    

Die Veranstaltung wurde mit freundlicher Empfehlung der innogy durchgeführt.

 

 

Bericht: Gabriele Coché-Schüer

Bilder: Marjolein Hoppe