Anna Yona zu Gast beim unternehmerinnen forum niederrhein

Es gibt Veranstaltungstermine, die werfen ihre Schatten weit voraus und lösen bereits  im Vorfeld gespannte Vorfreude aus. Genauso ein Termin war der 21. August 2020. Anna Yona, die Frau, die gemeinsam mit ihrem Mann eine veritable Revolution mit ihren WildlingSchuhen ausgelöst hat, hatte die Einladung von Barbara Baratie nach Geldern an den Niederrhein angenommen und den Termin in ihren pickepackevollen Kalender eingeschoben.

Damit war aber noch nicht unbedingt klar, dass wir die Veranstaltung wie geplant würden durchführen können. Mit Blick auf die ständig neu angepassten Corona-Beschränkungen für größere Veranstaltungen blieb Barbara ständig auf dem QuiVive. Aber schlussendlich  kam doch rechtzeitig das befreiende „Okay“. Das Team vom Seepark-Hotel hatte für die 40 angemeldeten Teilnehmerinnen alles perfekt organisiert, die großen Tische boten genügend Platz, um Abstand zu halten und trotzdem gute Gespräche zu führen.

Anna Yona hat es in den letzten Jahren als Gründerin und Jungunternehmerin zu einer bemerkenswerten Bekanntheit gebracht in Wirtschafts- und vor allem Gründer*innenkreisen. Sie und ihr Mann haben Preise und Auszeichnungen für ihr innovatives Unternehmenskonzept geradezu in Serie abgeräumt: Gründerpreis NRW 2018, KfW-Award 2019, nominiert für den German Design Award.

Um sie zu sehen und zu hören, hatten sich für diesen Abend auch zahlreiche weibliche Gäste angemeldet, alle selbständig unterwegs in ganz unterschiedlichen Bereichen. Wir alle waren auf diese Frau echt gespannt. Sie kam, sah und siegte- anders kann man es nicht beschreiben. Freundlich, gewinnend, hoch kommunikativ, offen, klug– und sie hatte ihre gut gelaunte, überaus entspannte Familie gleich mitgebracht: Ran, ihren Mann und ihre 3 Kinder- 2 Töchter, einen kleinen Sohn.

Die Geschichte der Wildling Shoes ist eine der ganz außergewöhnlichen Gründungsstories, schon deshalb, weil sie zeigt, dass eine Unternehmensgründung in ihren Anfängen allein von einer Idee und Überzeugungskraft getragen werden kann. Und dass sich Transparenz im Geschäft, vielschichtige Kommunikationsebenen und offenes Engagement in Umwelt- und Nachhaltigkeitsprojekten heute und in Zukunft auszahlen.

Anna Yona und ihr Mann Ran verkauften im letzten Jahr 150.000 Paar Schuhe. Das hört sich irgendwie selbstverständlich an, ist es aber nicht, denn die Erfolgsgeschichte begann erst einmal mit dem Umzug der Familie von Israel in die Heimat der jungen Mutter ins Bergische Land.  Die drei in Israel geborenen Kinder waren es bislang gewohnt, barfuß unterwegs zu sein und konnten sie sich partout nicht daran gewöhnen, in die hier angebotenen Schuhe zu steigen. Kein Schuh konnte den Kindern das bisher gewohnte Freiheitsgefühl für ihre Füße auch nur annähernd bieten. In Deutschland sind die Temperaturen jedoch nicht so warm und unkompliziert wie in Israel. Was nun?

Es müsste also eine ganz neue Art von Schuhen sein, die Kinderfüssen genügend Freiheit ließen. So wenig Schuh wie möglich oder anders gesagt: nur so viel Schuh, wie nötig. Ein Minimalschuh- das war die Idee. Der Sporttherapeut Ran und Literaturwissenschaftlerin (!) Anna erkannten schnell, dass sie eine Marktlücke entdeckt hatten. Die Idee war da- Fachwissen, Geld für Entwicklung und die Vermarktung erst einmal nicht.

Ein  KfW-Kredit und eine von der Geschäftsidee total  überzeugten Crowdfounding-Community machten den Start möglich. Als im August 2015 die Crowdfunding-Kampagne gestartet wurde, war das mit 15.000 Euro angesteuerte Funding-Ziel  in nur 24 Stunden zusammen.

Nach fast zwei Jahren intensiver Entwicklungsarbeit war das Ziel erreicht: Ein Schuh, der den Fuß vor Verletzungen und Witterung schützt, ihn aber so wenig wie möglich in seiner natürlichen Bewegung und im gesunden Wachstum beeinträchtigt.  Anna Yona:   „Kinderfüße gesund zu halten, das war unser erklärtes Ziel, denn 98 Prozent der Kinder kommen mit gesunden Füßen auf die Welt, doch nur ein Fünftel der Erwachsenen hat noch gesunde Füße.“

2015 wurde das Minimalschuh-Unternehmen WILDLING SHOES gegründet. Jetzt konnten die eigenen Kinder mit Begeisterung für ihre neuen Schuhe werben. Bevor überhaupt die Schuhe offiziell in den Verkauf kamen, waren bereits 1.000 Paar verkauft. Nachdem die  aktuelle Produktion unerwartet schnell ausverkauft war, stand das Paar vor der Frage: Wie schnell können wir nachproduzieren? Und dabei gleichzeitig unseren Vorstellungen von Nachhaltigkeit und guter Unternehmensführung gerecht werden?  Fragen, die Anna und Ran Yona heute immer noch genauso intensiv beschäftigen.

Die erste Kollektion hat ein Familienbetrieb in Portugal produziert und dabei soll es bleiben. Heute beschäftigt das Unternehmen 160 Menschen, die bundesweit und international an verschiedenen Orten fast alle im Homeoffice arbeiten und so zu großen Teilen ihre Arbeitszeit flexibel gestalten können. „Für mich selbst war so eine Arbeitsform enorm wichtig. Ich hatte 3 kleine Kinder und ich wollte ihnen, so oft wie möglich, nah sein. Ran und ich haben schnell gelernt, dass die Führung eines Remote-Unternehmen klare Ziele, Strukturen und großes Vertrauen in die Kompetenzen des Einzelnen, aber auch in die Funktionsfähigkeit eines weit verstreuten Teams braucht. Und es funktioniert. „Ich habe mit der Zeit gelernt“ so Anna Yona, „alles zu delegieren, was andere in unserem Team genauso gut oder sogar noch viel besser übernehmen können. Und wir haben uns das Ziel gesetzt, als Unternehmen Möglichkeiten zu schaffen, die beschäftigten Menschen in ihren individuellen Fähigkeiten und Stärken immer weiter zu fördern.“

Das junge Unternehmen, das sich in den letzten Jahren so konsequent gut entwickelt hat, wird von der Fachöffentlichkeit landauf landab gefeiert. „Es steckt aber sehr viel mehr dahinter als die verkauften Schuhe“, fragte hier Barbara Baratie nach. „Ja“, antwortete Anna Yona, „man muss sich mit den Menschen im Unternehmen entwickeln. Wir folgen unseren gemeinsam festgelegten Zielen und sind getragen durch gemeinsam bestimmte Werte.* Unser Minimalschuh steht für ressourcenorientierte Nachhaltigkeit. Wir folgen einem Sinn, für den wir uns gemeinsam engagieren wollen.“

Natürlich gab es auf diesem Wege immer auch Misserfolge, Pleiten und Pannen. „Wir hatten und haben, wie  Unternehmen überall auf der Welt, Probleme jeder Art: z.B. mit dem Material. Für die erste Kollektion war im letzten Moment der Kleber gewechselt worden, fatal, denn der färbte total ab. Die Leute bekamen tintenblaue Füße“, erzählt Anna Yona. „Wir standen mit 2000 Paar unbrauchbarer Schuhe vor dem Aus. Aber wir sind im Team und nach außen ganz offen damit umgegangen und wir hatten immer auch eine unglaublich tolle Fangemeinde, die uns von Anfang getragen haben.“

Mittlerweile gibt es Wildlinge auch für Erwachsene und Frauen, die bisher mühevoll nach Schuhen gesucht haben, die jenseits der klassischen Größe 39 oder 40 liegen, sind begeistert, denn es gibt die „Wildlinge“ bis Größe 48. „Wir wollten ja eigentlich Kinderschuhe herstellen, aber schon während der Crowdfunding-Kampagne fragten schon so viele nach Erwachsenen-Größen, dass wir nachlegten.“

Und dass die Fangemeinde stetig wächst, zeigte sich, als sich unter den 40 anwesenden Unternehmerinnen spontan einige Frauen als begeisterte Wildlingträgerinnen outeten.

Wildling-Parade

Wildling-Fans von Anfang an: Doro Dahl (mittig) und Ute Kosmell (rechts)                                                             

 

Fünf Jahre ist Wildling mit seinen Minimalschuhen am Markt, die gesundes Barfußgehen simulieren sollen. Wie erlebt das Unternehmen, das seine Schuhe bisher fast nur online verkauft hat, die Corona-Krise? „Der krasse Einbruch in der zweiten Märzwoche zeigte sich im Onlineshop – minus 30 Prozent in allen Ländern“, sagt Yona. „Da wussten wir: Es wird auch uns treffen.“  150.000 Paar Schuhe waren es 2019, in diesem Jahr wollten wir eigentlich 280.000 Paar verkaufen. „gut, jetzt rechnen wir erst einmal wieder mit den Vorjahreszahlen, mit etwas Glück schaffen wir es vielleicht etwas drüber“, sagt Anna Yona.

Ein frischer Präsentkorb von machte deutlich, auch wir stehen im Netzwerk für Nachhaltigkeit.

Dieses Mal gab es für die Referentin statt des üblichen Blumenstraußes einen (Proviant-)Korb mit Apfel- Spezialitäten von Clostermann.  Das kam gut, denn für die Familie Yona war der nächste Tag Familientag pur: Es gab einen ausgedehnten Besuch im Irrland unserer Mitgliedsfrau Josie Winkels. Wie man aus zuverlässiger Quelle hörte, hat es allen Beteiligten ziemlich viel Spaß gemacht.
Gabriele Coché-Schüer
Fotos www.macamoca.de

 

Mehr über Anna Yona lesen?
https://awards.gruenderszene.de/wp-content/uploads/2019/11/Gruenderszene_Magazin_2019.pdf
https://creditreform-magazin.de/unternehmen/homeoffice/

* Wilding Shoes arbeitet nach dem Managementprinzip OKR.
Bei Objectives and Key Results (OKR) handelt es sich um eine
Management-Methode, die beispielsweise von LinkedIn und
Facebook angewandt wird. Dabei setzt sich ein Unternehmen
herausfordernde Ziele (Objectives).
Damit verbundene Meilensteine (Key Results) sind die
konkreten Schritte auf dem Weg zu diesem Ziel.
An ihnen lässt sich der Erfolg oder Misserfolg messen..